Projekt

Historisches Embodiment Tonfilme, Aufführungsmaterial und Interfaces als Quellen zur Interpretationspraxis des 19. und frühen 20. Jahrhunderts

Das Projekt beschäftigt sich mit der Interpretationspraxis des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und erforscht, wie eine Musikaufführung durch das Zusammenwirken von Notentext, Instrumenten und Spielpraxis entsteht. Dokumentiert wird dies im Idealfall durch Ton(film)aufnahmen, die zeigen, wie romantische Musik im Kontext ihrer Entstehungszeit geklungen hat.

Im Projekt  werden typische Interpretationsentscheidungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht: Zunächst rückwärts analysierend und rekonstruierend aus Ton(film)dokumenten, danach auch vorwärts mit der experimentellen Wiederholung konkreter Interpretationsentscheidungen, um zu überprüfen, ob diese zu einem bestimmten Klangergebnis führen. Ähnlich wird mit annotiertem Aufführungsmaterial und historischen Instrumenten verfahren. Die dazu neu entwickelte Methode des «historischen Embodiment» soll zeigen, ob bestimmte Elemente der Musikpraxis von Aufführung zu Aufführung wiederholt worden sind oder nicht. Die gewonnen Erkenntnisse sollen als repertoiretypische Ausdrucksmittel in die heutige Aufführung von Repertoire des 19. und frühen 20. Jahrhunderts reintegriert werden.

Durch die Interpretationsforschung sollen die erfolgreichen Ansätze historisch informierter Interpretationspraxis aus der Nische der Alten Musik in den Mainstream der Musikkultur überführt werden. Dies wird mittelfristig nicht nur die Erwartungshaltung des Publikums, sondern auch die Ausbildung junger Musiker*innen verändern und damit den Erhalt des immateriellen Kulturerbes europäischer Kunstmusik fördern.

Forschungsposter (pdf)

Bild: Reenactment einer historischen Aufnahmesituation am Beispiel von Joseph Joachims Romanze (1903) mit Johannes Gebauer, Sebastian Bausch und Kai Köpp

Das HKB-Projekt Historisches Embodiment bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Musikforschung

Vom 28. September bis zum 1. Oktober 2022 fand an der Humboldt-Universität zu Berlin unter dem Motto «Nach der Norm: Musikwissenschaft im 21. Jahrhundert» die Jahrestagung der Gesellschaft für Musikforschung (GfM) statt – und auch das Symposium der Fachgruppe Aufführungspraxis und Interpretationsforschung war mit dem Themenschwerpunkt «Embodiment und Reenactment in der Historischen Aufführungspraxis» einem vergleichsweise jungen Ansatz gewidmet.
Die Beiträge des Nachmittags, bei dem die HKB mit vier von fünf Beiträgen stark vertreten war, reichten hierbei von theoretischen Grundlagenüberlegungen und der Präsentation verschiedener Quellengattungen bis hin zu Fallbeispielen aus der Praxis, bei denen die Konzepte des Reenactments und auch des Embodiments zur Anwendung kamen.
Dass dem Themenspektrum großes Interesse entgegengebracht wird und die HKB mit ihren Referenz-Projekten als eine zentrale Forschungseinrichtung auf diesem Gebiet wahrgenommen wird, kam bei der Abschlussdiskussion des gut besuchten Panels zum Ausdruck.

Programmauszug zum Themenschwerpunkt «Embodiment und Reenactment in der historischen Aufführungspraxis» (pdf)

Gesamtprogramm der Jahrestagung: https://hu.berlin/gfm2022