Projekt

Frühe Tonfilme in der Interpretationsforschung

Frühe Tonfilme stellen eine vielschichtige und multidimensionale Informationsquelle für aufführungspraktische Fragestellungen dar. Durch die zusätzliche, bewegt-visuelle Ebene können aus reinen Tondokumenten gewonnene Erkenntnisse bestätigt, erweitert oder gar revidiert werden.

Aspekte wie die Ausführung instrumentenspezifischer Bewegungsabläufe, Körperhaltung, Mimik und Gestik, (Selbst-)Inszenierung und verwendetes Instrumentarium gewähren Einblicke, die über rein spieltechnische Erkenntnisse weit hinausgehen und auch für Musiksoziologie, Gender Studies sowie Instrumentenforschung von unschätzbarem Wert sind. Filme mit mehreren Musikern erlauben zudem eine genauere Untersuchung von zwischenmenschlichen Interaktionen und ihrer Ausprägung, wie beispielsweise häufigem Blickkontakt oder weitgehender Autonomie, Gleichberechtigung oder Hierarchie.

Ein möglichst grosses und repräsentatives Korpus an frühen Tonfilmdokumenten soll anhand eines detaillierten Fragenkatalogs ausgewertet werden, um anschliessend im Rahmen von Reenactments mit Studierenden sowohl die Auswirkungen der umgesetzten Beobachtungen auf Selbst- und Fremdwahrnehmung zu diskutieren als auch eine authentische Reproduktion der Spielpraxis des 19. Jahrhunderts durch Verankerung bestimmter Bewegungsmuster zu erleichtern oder gar zu automatisieren.

Bilder: Videostill bzw. «Making of» aus Bob Witt und Cy Berg in «Witt & Berg Premier Entertainers» («The voice from the screen», Vitaphone short sound Nr. 131, 27.10.1926)

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