Klingende Visitenkarten
Mit nicht weniger als 149 CDs porträtierte der STV Komponist:innen, Interpret:innen und Ensembles. Er dokumentierte so das zeitgenössische Musikleben in der Schweiz: das Medium CD als Visitenkarte, Ehrung und PR-Instrument. Die Partnerinnen Pro Helvetia und SUISA-Stiftung für Musik nutzten sie für ihre Anstrengungen in der Exportförderung und beschickten gezielt Festivals, weitere Veranstalter, Orchester, Ensembles und Solist:innen. Die Schweizer Radiostudios konnten ihren Kulturauftrag betreffend Schweizer Quote erfüllen, ausländische Rundfunkstationen ihre musikalische Neugier und das Informationsbedürfnis befriedigen. Ganz klar war der selbstgegebene Auftrag jedoch nie: So stellte Pierre Sublet in Anspielung auf bisherige Gepflogenheiten die Grundsatzfrage: «Wollen wir jemanden lancieren oder jemandem eine Freude machen, wollen wir etwas Repräsentativeres?»
Wer wurde denn nicht gefördert? Laut den Protokollen etwa «kaum persönlicher Stil, zu lokal, schwierige Person» oder «zu alt und unbekannt»; das Prädikat «Abgelehnt aus künstlerischen Gründen» erhielten verschiedene Anwärter. Bei einem hiess es wenigstens: «Zurückgestellt – ‹da muss man aber einmal etwas machen.›»
Was aber auch nach einem positiven Grundsatzentscheid noch schief gehen konnte …
2008 wurde innerhalb der Reihe eine neue Serie begründet: Grammont Sélection. Kuratiert von jeweils einem Musikwissenschaflter wurde bis 2015 achtmal ein Querschnitt durch die wichtigsten Schweizer Uraufführungen eines Jahrgangs zusammengestellt, manchmal auch eine Auswahl eines Tonkünstlerfests im Rahmen eines internationalen Festivals wie Archipel oder Lucerne Festival oder aber eine bestimmte Thematik oder Technik. Mark Sattler kuratierte eine Anthologie aus dem Tonkünstlerfest im Rahmen von Lucerne Festival 2010.
Zur Uraufführung kam hier das Violinkonzert von Cécile Marti, zu dem sie schrieb: «AdoRatio basiert auf einem spektral ausgerichteten Zentralklang, der sich dehnt und verengt, der sich farblich verändert …»
Auch Fritz Hausers schraffur für Gong und Orchester erlebte als Auftrag von Lucerne Festival hier die Uraufführung: «schraffur basiert auf einer speziellen Spieltechnik, die es erlaubt, einem Instrument einen Klangrhythmus zu entlocken. schraffur ist eine streng geformte Kollektiv-Improvisation.»
1999 bis 2008 führte der STV neben Grammont in Eigenregie noch eine weitere CD-Reihe mit insgesamt 32 Produktionen: Diese experimentelle Reihe richtete sich viel radikaler aus, was die Formate und Genres betraf. Sie diente der Dokumentation aussergewöhnlicher Events sowie experimenteller Gruppen und umfasste nebst Solo- und Gruppenimprovisationen Elektronische Musik, Klanginstallationen, Kunstwerke, die Ton und Wort verbinden – wie Hörstücke, Sprachkompositionen oder Poésie sonore – sowie Kollektivkompositionen. Auch von der Aufmachung her wurde das Experimentelle unterstrichen.