Frauen im STV – «Vielleicht sind wir in so einer Übergangszeit?»
Der STV stand für Frauen zwar seit seiner Gründung offen. Aber bei Aufführungen und CDs wurden sie sehr lange nur marginal, bei Kompositionspreisen überhaupt nicht berücksichtigt: «Diversität? […] – in der Sache Französisch/Deutsch natürlich, weil es auf schweizerischer Ebene war. In der Sache Mann/Frau auch ein bisschen. Aber da, wo es wirklich gesucht war und wo wirklich geschaut wurde, dass jede Sparte drankommt, dann, das war mehr im musikalischen Bereich.» (Claudine Wyssa, Geschäftsführerin 2001–2009)
1982 wurde nach langer Absenz mit Gertrud Schneider die gerade einmal zweite Frauenvertretung in den Vorstand gewählt – die erste war 1967 Hedy Salquin – und sogar erst 2016 erhielt der STV mit Käthi Gohl die erste Präsidentin. Die Frauenfrage «war einfach schlicht kein Thema, lang. Dann wurde Gertrud Schneider aufgestellt und da gab’s einen Riesen-Protest. Und da hat meine Mutter zu Sacher gesagt: Also hör jetzt, Päuli, jetzt nehmt doch mal die Frau.» (Käthi Gohl)
Sofort setzte sich Schneider für die verschiedensten Dinge ein. Am Herzen lag ihr insbesondere, aus einer Isolation auszubrechen, die der Vorstand in einem Jahresbericht sogar als «Ghetto» überzeichnet hatte. So schlug sie verschiedenste Kooperationen vor: eine Zusammenarbeit mit der Musikerkooperative Schweiz (die eher zäh anlief, da die Vorstandskollegen Lehmann und Wildberger jener die Professionalität absprachen), eine Integration von Literatur in den Festen unter den Arbeitstiteln «Musik und Wort» beziehungsweise «Kettenreaktion». Der etwas behäbige Vorstand bremste jedoch viele ihrer Initiativen.
Bei den Programmen der Tonkünstlerfeste war der Frauenanteil jeweils sehr klein. Hatten sich einfach nicht mehr beworben? «Ja natürlich, aber lueg einmal, wie streng die Frauen mit sich sind!» (Gertrud Schneider)
Gleichzeitig zeigte der STV wenig Verständnis für eine sichtbare Repräsentation der Frauen. Als die unermüdliche Emmy Henz auf das Jahr der Musik 1985 hin ein Gesuch des Frauenmusik Forum für eine Dokumentation über Schweizer Komponistinnen einreichte, reagierte der Verband denkbar zynisch: Der Vorstand sei der Meinung, dass es einfacher wäre, Komponistinnen zu unterstützen, wenn es mehr STV-Mitglieder gäbe. Das Gesuch wurde abgelehnt.
Ulrich Gasser unterstreicht allerdings den Einfluss der Frauen im Vorstand: «Gerade von der improvisierten Szene, Freiluft-Szene: ich denke die Frauen, die hatten schon etwas zu sagen und haben auch einiges durchgebracht.» Und auch Käthi Gohl erhielt Wertschätzung für ihren Einsatz kurz vor dem Ende des Vereins: «Interessant war, als ich den Verein dann übernommen habe, sagte mir ein bekannter Komponist: Man sieht, wenn es Probleme gibt, dann kommen die Frauen her, müssen sie herkommen und aufräumen.»
Statements von Frauen zum STV
«Da sind doch Klischeevorstellungen noch relativ stark vorhanden und ich glaube, ich habe einfach vom Exotinnenbonus auch profitiert. Andererseits in der Kritik stand dann auch: ‹Die elfenhafte Bratschistin und Sängerin mit den knallroten Lippen und den hohen Absätzen› – das müsste jetzt nicht in einer Kritik stehen.» (Charlotte Hug)
«Ich wurde sehr gut aufgenommen, muss ich sagen. Aber das hängt vielleicht auch mit dem Vorstand zusammen. Nein, ich habe nie eine Benachteiligung im Schweizerischen Tonkünstlerverein erlebt als Frau.» (Franziska Baumann)
«Wenn Frauen laut sind und unbequem und sich viel Raum nehmen, fallen sie halt immer sehr viel negativer auf. Und bei Männern gehört das wie dazu.» (Maru Rieben)
«Wenn wir dann wirklich lange genug Frauen haben, dann wird sich das ändern. Und vielleicht sind wir in so einer Übergangszeit.» (Sylwia Zytynska)