Frauen im STV

O-Ton Käthi Gohl 
«Es war einfach schlicht kein Thema, lang. Dann wurde Gertrud Schneider aufgestellt und da gab’s einen Riesen-Protest. Und da hat meine Mutter zu Sacher gesagt: Also hör jetzt, Päuli, jetzt nehmt doch mal die Frau. Interessant war, als ich den Verein dann übernommen habe, sagte mir ein bekannter Komponist: Man sieht, wenn es Probleme gibt, dann kommen die Frauen her, müssen sie herkommen und aufräumen. […] Ja, ich glaube nicht, dass Frauen generell völlig anders denken als Männer. Es geht ja um die Sache. Sie haben einfach geholfen, die Sachen zu realisieren. Es musste einfach eine gewisse Selbstverständlichkeit her, bis das mal einigermassen drin ist und dass es irgendwann mal kein Thema mehr ist. Ich fand es einfach unmöglich, irgendwie irgendwo gewählt zu werden, weil ich eine Frau bin. Ich hätt’s natürlich auch schrecklich gefunden, nicht genommen zu werden, weil ich eine Frau bin.» (Käthi Gohl, Präsidentin 2016/17, im Gespräch mit Thomas Gartmann, Zürich, 28.3.2022)

O-Ton Gertrud Schneider 
«Also die Annette [Schmucki]. Nein, ich glaube, es hat einfach … Frauen sind dann auch immer versucht … Ja. Dann haben sie plötzlich doch Kinder. Das ist einfach. Das schränkt wirklich ein, also die Rolle als Mutter. Das ist verrückt. Da bist du froh, wenn du noch, deine, was weiss ich, dein Instrument nicht grad ablegst. Aber die haben dann wahnsinnig Probleme mit dem Umgang mit der Zeit einfach. Es ist ja so, dass die Väter, die sind auch viel aktiver als früher. Du kannst ihnen nicht einmal einen Vorwurf machen. Aber dann kommt wieder die Geschichte mit der Bezahlung, zur Ungleichheit. Ich meine, warum sind sie schlechter bezahlt? Weil sie weniger …  Sie wollen nur eine knappe Stelle. Und das ist verdammt. Es ist, als ob die Natur uns da einen Streich spielt. Und wir wollen den Streich gespielt haben, oder? … Es gab einen Moment, da wollte ich nicht Nicht-Mutter sein. Dann entschliesst du dich und du weisst nicht, was eigentlich nicht, zu was du dich entschlossen hast. Zu 20 Jahren hast du dich entschlossen, das ist verrückt, oder 25? Es ist einfach. Es macht … Aber ich weiss nicht. Das sollte man vielleicht auch nicht schreiben, weil es ist entmutigend.» (Gertrud Schneider, Vorstandsmitglied 1983–1991, im Gespräch mit Thomas Gartmann, Bern, 13.7.2022)

O-Ton Ulrich Gasser 
«Also Sylwia Zytynska zum Beispiel. Sie hat natürlich einen starken Einfluss gehabt, gerade von dieser improvisierten Szene, Freiluft-Szene und so, das war ganz eindeutig. Also ich denke die Frauen, die hatten schon etwas zu sagen und haben auch einiges durchgebracht. Also die Frauen, die kamen fast ausschliesslich aus der Interpretenszene. Ich weiss nicht, ob es je eine reine Komponistin hatte; die hatten wir, glaube ich, nie im Vorstand. Wir hatten eigentlich keinen Einfluss auf die Komposition gehabt, sondern wir haben Einfluss genommen auf die Verwaltung, die Feste und so weiter, und deswegen waren diese Interpreten und Interpretinnen im Vorstand sehr wichtig.» (Ulrich Gasser, Präsident 2003–2004, im Gespräch mit Thomas Gartmann, Kreuzlingen, 30.6.2022)

O-Ton William Blank 
«Par exemple … quand on a essayé de…d'ouvrir les fêtes, les Tonkünstlerfeste, (mais pas seulement les concerts, mais aussi des tables rondes, des échanges et des choses comme ça) alors, la vision des femmes dans le comité, c'était toujours pour des choses très conviviales, pour des choses qui étaient sur le mode de l'échange verbal avec... (je ne veux pas faire une caricature, mais): avec un aspect social autour, peut-être un apéritif et après une discussion et peut-être même une balade. Je me souviens que quelqu'un a dit: on pourrait faire une balade; et d'ailleurs on a fait des balades. Quand on était dans les Grisons, on a fait des balades. Dire: on prend les gens et on fait une promenade, et après, une fois qu'on a vu, on passe un moment social. Ça, c'est très, très féminin. Et chez les garçons (si j'ose dire comme ça) c'est beaucoup plus: programmation, direction, les œuvres … Les choses techniques, en fait. Donc en réalité, ça apporte une dimension sociale, je pense, une dimension moins technique (en français, on dirait technicisante) c'est à dire qu'on pense moins en termes d'efficacité, de rationalité, mais plus en termes de … d’incorporation... voilà. C'est vraiment quelque chose qui est important et d'une manière générale (dans la manière de converser) il y a quelque chose dans … dans le fait que les femmes sont dans les mêmes processus de discussion: c'est qu'elles ont un avis plus … souvent … souvent … plus … plus, plus large. Est-ce que c'est par le fait qu'elles ont souvent des enfants et qu’elles ont l'habitude de gérer la famille? Mais il y a toujours cette espèce d'ouverture vers le plus large, alors que les hommes sont plutôt…sont plutôt directifs. On le constate dans toutes les sociétés et je le vois par exemple au conservatoire, dans mon école, lorsqu'on a des discussions entre professeurs, les femmes mettent toujours beaucoup, beaucoup de dimension humaine et sociale. Et par exemple, vis à vis des élèves, elles sont beaucoup plus tolérantes que nous. Elles pensent beaucoup à l'idée qu'on pourrait aider mieux et récupérer … – pas…pas être trop directifs etc. alors je pense que je pourrais synthétiser la pensée en disant que ... :  la bonne parité entre hommes et femmes, c'est lorsque cette question de la tempérance vient … vient dans le débat – ça équilibre, en fait, les choses. Mais il y a aussi des femmes … très … aussi des femmes à poigne … et des hommes doux.»

Dt. Übersetzung: «Zum Beispiel, als man versuchte, die Feste zu öffnen, die Tonkünstlerfeste, (aber nicht nur die Konzerte, sondern auch Diskussionsrunden, Austausch und solche Dinge) ja, dann, die Vision der Frauen im Vorstand, war immer für sehr gesellige Dinge, für Dinge, wo der verbale Austausch wichtig war. Ich will keine Karikatur machen, aber: mit einem sozialen Aspekt drumherum, vielleicht ein Aperitif und danach eine Diskussion und vielleicht sogar ein Spaziergang. […]  Das heisst, wir nehmen die Leute mit und machen einen Spaziergang, und danach, wenn wir etwas gesehen haben, verbringen wir einen geselligen Moment. Das ist sehr, sehr weiblich. Und bei den Jungs (wenn ich das so sagen darf) ist es viel mehr: Programmgestaltung, Leitung, die Werke ... technische Dinge, sozusagen. […] Man denkt weniger in Begriffen der Effizienz, der Rationalität, sondern mehr in Begriffen der ... der Integration, das ist es. Das ist wirklich etwas, das wichtig ist, und generell (in der Art der Konversation) stimmt etwas daran, dass Frauen von Diskussionsprozessen geleitet werden: dass sie eine mehr ... oft ... eine breitere Meinung haben. Liegt das daran, dass sie oft Kinder haben und es gewohnt sind, die Familie zu managen? Aber es gibt immer diese Art von Offenheit gegenüber dem Grösseren, während Männer eher direktiv sind. Das sieht man in allen Gesellschaften und ich sehe es zum Beispiel am Konservatorium, an meiner Schule, wenn wir Diskussionen unter Lehrern haben, dann bringen die Frauen immer sehr, sehr viel menschliche und soziale Dimensionen ein. Zum Beispiel sind sie gegenüber den Schülern viel toleranter als wir. Sie denken viel darüber nach, wie man ihnen besser helfen und sie abholen könnte ... nicht ... nicht zu direktiv sein usw. Ich denke, ich könnte den Gedanken zusammenfassen, indem ich sage, dass ... : die richtige Parität zwischen Männern und Frauen ist, wenn diese Frage der Zurückhaltung kommt... in die Debatte kommt – das gleicht eigentlich die Dinge aus … Aber es gibt auch Frauen ..., sehr ..., auch handfeste Frauen ... und sanfte Männer.» (William Blank, Präsident 2014–2016, im Gespräch mit Thomas Gartmann, Bern, 21.6.2022)

O-Ton Charlotte Hug 
«Das hat sich mit der Zeit sehr geändert. Also ‘98 war ich noch so eine Trabantin – aber doppelt, nicht nur als Frau, sondern auch als Improvisatorin. Es war gar nicht so einfach zu trennen. Und natürlich, die Komposition ist die akzeptierte Form von hoher Kunst, damals sehr viel stärker von Männern besetzt. Natürlich gab es da auch einige Frauen ... (lange Pause) im STV ... Es hat Parallelen auch zur Jazzszene. Da habe ich auch gemerkt, in der Jazzszene gab es vor allem Sängerinnen, aber sonst, Instrumentalistinnen gab es eigentlich, in der Schweiz ..., es gab ein paar wenige Ausnahmen, die Pioniere, aber sonst, Instrumentalistinnen gab es doch viel weniger. Und das ist interessant. Ich bin ja Bratschistin und Sängerin und kann quasi wie mit beiden Seiten ... Also als Sängerin ist die Rolle klar: Aha, sie ist Sängerin, aber dann spielt sie auch noch Bratsche.» (Charlotte Hug, Vereinsmitglied seit 1997, im Gespräch mit Raphaël Sudan, Zürich, 13.1.2023)

O-Ton Franziska Baumann 
«Ich wurde sehr gut aufgenommen, muss ich sagen. Aber das hängt vielleicht auch mit dem Vorstand zusammen. Nein, ich habe nie eine Benachteiligung im Schweizerischen Tonkünstlerverein erlebt als Frau. […] Als ich dazu gekommen bin, war das einfach, auch von diesem Vorstand her und man hat geschaut, dass man, soweit ich mich erinnern kann, auch bei den Tonkünstlerfesten darauf schaut, dass es auch Frauen drin hat, also auch Komponistinnen, dass in den Improvisationen Frauen dabei sind, bei den Installationen. Also diese Diversität wurde meines Wissens und meiner Erinnerung, so wie ich mich erinnere …, schon damals hat man darauf geschaut. Es gab natürlich weniger Komponistinnen. Es gibt auch in der freien Szene weniger Frauen. Das ist ein fact, auch in der Schweiz. Also am Anfang habe ich mich eigentlich als – wie soll ich sagen? –, ich habe oft mit Männern gespielt immer, weil es einfach wirklich wenig Frauen gibt. Und vor allem, ich hatte noch eine Familie. Ich glaube, am Anfang, ich kannte keine andere Frau mit Familie, die wirklich frei improvisierte Musik als ihre Hauptausrichtung hatte in der künstlerischen Ausrichtung. […] Ich fühle mich auf der Bühne auch als Mensch und nicht in erster Linie als Frau. Und ... [lange Pause] ich möchte eigentlich da auf eine Gleichwertigkeit treffen, mit den Männern auch.» (Franziska Baumann, Vorstandsmitglied 2005–2008, im Gespräch mit Raphaël Sudan, Bern, 23.9.2022)