Tonkünstlerfeste – für die eigenen Mitglieder oder für ein breiteres Publikum?
Für die vom STV jährlich durchgeführten Tonkünstlerfeste wurde immer wieder neu die Frage nach dem Zielpublikum diskutiert, die stets zur gleichen Gegenüberstellung führte: Während die einen sich in erster Linie an die Vereinsmitglieder richten wollten, verlangten andere eine Öffnung für ein breiteres Publikum.
Nach einem ersten Versuch 1998 in Genf wurde 2008 erneut die Idee aufgebracht, das Fest in eine bestehende Veranstaltung zu integrieren und sie damit zu öffnen. 2010 war es dann so weit – dank Lucerne Festival und damit verbunden mehr Produktions- und Werbemitteln konnte man mit der grossen Kelle anrühren, erhielt bessere Sichtbarkeit und breites Echo:
«Für dieses Jahr nahmen wir uns die Zusammenarbeit mit dem grössten Musikfestival der Schweiz vor, mit dem Hauptziel, ein grosses, internationales Publikum zu erreichen und damit den Grundsatz der Förderung der Schweizer Musik umzusetzen. Wir benützten die Kooperation mit dem Lucerne Festival und der Pro Helvetia dazu, 25 KomponistInnen zum Schreiben neuer Werke zu bewegen und ermöglichten so innerhalb von 30 Stunden einen wohl einzigartigen Uraufführungsmarathon. Erfreulich ausserdem, dass sich das ‹Festival im Festival› nicht wie ein Fremdkörper anfühlte, nicht zuletzt, weil mit Dieter Ammann einer unserer Mitglieder ‹Composer in Residence› war.» (Matthias Arter [STV-Präsident]: Vorwort zum Jahresbericht 2010, ASM-E-3-105)
Dem positiven Resümee des Präsidenten zum Trotz sahen viele STV-Mitglieder die eigene Autonomie gefährdet, befürchteten ein Verschwinden der Vereinsidentität. In der Tat: Innerhalb des Festivals verschwindet das etwas verschwurbelt «(z)eidgenössisCH» genannte Fest im Fest fast völlig, wie das Programmheft zeigt.
Noch 2016 beharrte Geschäftsführer Johannes Knapp darauf, man müsse doch «eine echte, eigenständige Identität bewahren». Manchmal zeigten sich selbst die Präsidenten ambivalent – wie William Blank, der noch 2014 warnte, der STV sei in diesen Kooperationen wie ein Chamäleon, dem es schwerfalle, die eigene Identität und Sichtbarkeit zu wahren. Zudem werde dadurch der künstlerisch-dramaturgische Einfluss auf das Tonkünstlerfest eingeschränkt. Im Rückblick bekennt er aber angesichts des schwindenden Interesses der Mitglieder: Wenn man immer kleiner werde, verschwinde man sowieso. Die zentrale Frage sei: Wolle man an der Entwicklung der zeitgenössischen Musik mitmachen oder unter sich bleiben?
Als Arter für 2016 eine weitere Zusammenarbeit mit Lucerne Festival vorschlägt, wird er vorerst abgeblockt: Das Festivalthema «Frauen» erscheint dem Geschäftsführer Johannes Knapp als zu «gewagt» und für Vorstandsmitglied Jonas Kocher ist es ein blosses «Marketingargument». Das angedachte Diskussionspodium wird von Knapp als «Gerede» verunglimpft, und insgesamt findet der Vorstand, es mache keinen Sinn, einfach Dirigentinnen und Komponistinnen etc. einzuladen. Wenn schon, dann sollten Frauen ausgesucht werden, welche «provokativ» mit dem Thema umgehen. Immerhin: nach längerer Diskussion kam diese zweite Zusammenarbeit doch zustande.