Projekt

Ein Bogen für Beethoven Repertoirespezifische Spieleigenschaften von Streichbögen um 1825

Jahrzehntelang stand der Resonanzkörper im Zentrum der Bemühungen um authentische Streicherpraxis. Dabei sind in erster Linie der Bogen und das korrespondierende Saitenmaterial für die Erzeugung und Formung eines repertoiretypischen Streicherklangs verantwortlich. Original erhaltene Streichbögen liefern konkrete Informationen zur Spielpraxis ihrer Zeit. Das kurzfristige Forschungsziel besteht darin, Bögen aus dem Umfeld des Wiener Repertoires um 1825 überhaupt wissenschaftlich zu identifizieren und durch Nachbauten der Musikpraxis zur Verfügung zu stellen. Längerfristig ist es das Ziel, auf die Bedeutung des Bogens und seiner repertoirespezifischen Spieleigenschaften für die Interpretation hinzuweisen und eine Methode zu deren Beschreibung bereitzustellen.
Voraussetzung für eine Verbindung von Spieleigenschaften mit dem zugehörigen Repertoire ist die Datierung und Lokalisierung erhaltener Originalbögen um 1825. Zu erarbeiten ist ein Verfahren, um nicht nur äussere Merkmale, sondern auch die Spieleigenschaften historischer Bögen objektiviert zu beschreiben. Die spieltechnischen Erwartungen an Streichbögen lassen sich aus der streicherpraktischen Traktatliteratur um 1825 ermitteln. Anfängliche Quellenstudien zeigen bereits, dass um 1825 neben dem bis heute verwendeten Tourte-Modell weitere Bogenmodelle in Gebrauch waren, die heute obsolet sind. In Wien bevorzugte man ein lokaltypisches Modell, das von auswärtigen Manufakturen eigens für den Wiener Markt hergestellt wurde.
Erhaltene Bögen dieser Art wurden identifiziert, um eine Reproduktion in Auftrag zu geben, die auch die Spieleigenschaften berücksichtigt. Ein solcher Bogen beeinflusst wesentliche Elemente der Tonerzeugung und Artikulation und dient damit als handgreifliches Instrument für die historisch informierte Aufführungspraxis im Wiener Repertoire um 1825 (Beethoven, Schubert, Salieri, Hummel), aber auch darüber hinaus. Die originalen Bögen wurden im Beethoven-Haus Bonn ausgestellt, vom Schweizer Bogenbauer Pierre-Yves Fuchs nachgebaut und in einem Konzert mit dem Sinfonie Orchester Biel praktisch erprobt.

Forschungsplakat

Konferenz L'Archet Révolutionnaire

Eine Konferenz in London Ende Oktober 2015 beschäftigte sich mit historischen Bögen. Das Projekt der HKB wurde vertreten von Kai Köpp, der einen Vortrag hielt mit dem Titel: «French or German Bows for Beethoven?» Ausserdem kuratierte er die deutschen Bögen des Katalogs (Beitrag «German Bows: From Cramer-Bow to Biedermeier-Bow») und nahm an einer Podiumsdiskussion zu historischem Bogenbau teil. Videos der Präsentation und der Diskussion sind hier zugänglich (in englischer Sprache).

Historic bows for string instruments was the topic of a conference in London in October 2015. Kai Köpp represented the HKB project team in a talk on «French or German Bows for Beethoven?» He also curated the German bows in the catalogue (article «German Bows: From Cramer-Bow to Biedermeier-Bow») and took part in a discussion on the art of bow making in the 18th ad early 19th centuries. To see videos of the presentation and the discussion follow this link (in English).