Der Fall Balissat
Balissat reagiert ungeschickt auf den kritischen Artikel in der Dissonanz, versucht die Situation auszusitzen, braust autoritär auf, will dem Redaktor kündigen, gibt sich dann wieder konziliant als väterlicher Freund. Die Sache versandet schliesslich in einer Umfrage, die wider Erwarten den kritischen Kurs der Redaktion stützt. Der Vorstand muss sich finden, reagiert hilflos, wirkt wie eine «Selbsthilfegruppe», spaltet sich entlang der Sprachgrenzen, distanziert sich von der Kündigungsabsicht, stützt darauf aber seinen Präsidenten einhellig und schätzt seine konziliante Führung später so sehr, dass er nach mehreren Rücktrittswünschen zum Weitermachen überredet wird. Der Konflikt schwelt allerdings lange weiter, treibt einen Keil zwischen die beiden Kulturen der Deutschschweiz und der Suisse romande. Später wird nachgelegt, aus dem Sturm im Wasserglas wird ein Orkan, ein Aufstand der Jungen gegen die Autoritäten, der Avantgardist:innen gegen die Traditionalist:innen. Es handelt sich bei dieser Kontroverse aber auch um eine Überlagerung verschiedener Konflikte, einen Kampf der Generationen mit dem Aufbegehren der Jungen und damit wiederum verbunden auch um den Kampf um Diskurshoheit unterschiedlicher politischer und ästhetischer Positionen, die sich oft überlappen. Erschwert wird sie durch die schwache Position des Präsidenten, der kontraproduktiv wirkt, wenn er zu autoritär auftritt. Vor allem zeigt sich ein unterschiedliches Verständnis über die Aufgabe der Presse und der Musikkritik. Es herrscht eine mangelnde Kritikfähigkeit. Das spätestens seit 1968 geläufige Rütteln an Autoritäten wird als Nestbeschmutzung diffamiert. Bevorzugt würde hingegen eine «Hofberichterstattung», was wie eine Konstante die Diskussionen um die eigene Zeitschrift befeuert (vgl. auch den Artikel von Thomas Gartmann).